Unfall – Wie verhalte ich mich richtig?
Die Frage, ob man auch heute nochmal die Führerscheinprüfung bestehen würde, haben sich wohl die meisten Autofahrer schon mindestens ein Mal gestellt. Und auch wenn die gängigen Verkehrsregeln wohl bei einem Großteil der Autofahrer präsent sind, gibt es mindestens einen Bereich, der schnell zum Stolperstein werden dürfte: die Unfallortsicherung. Begriffe wie Warnweste und Warndreieck hat wohl jeder sofort im Kopf, doch wie ist der genaue Ablauf der einzelnen Schritte? Im Folgenden wollen wir dir einen Überblick darüber geben, wie du dich am Unfallort am besten verhältst und welche Punkte in Sachen Polizeiverständigung, Unfalldokumentation und Kommunikation mit der Kfz-Versicherung besonders wichtig sind.
Wie verhalte ich mich am Unfallort?
An erster und wichtigster Stelle steht immer die Absicherung der Unfallstelle. Instinktiv möchte man zwar zunächst den potenziell Verletzten helfen, ein ungesicherter Unfallort birgt aber ein enormes Risiko für alle Beteiligten und Helfer. Zu den wichtigsten Schritten der Unfallortsicherung gehören:
- Fahrzeug(e) von der Fahrbahn bewegen
- Warnblinker anschalten
- Warnweste anlegen
- Warndreieck aufstellen
Für den Abstand des Warndreiecks zur Unfallstelle gibt eine einfache Faustregel. Innerhalb der Stadt sollte die Entfernung mindestens 50 Meter betragen, auf Landstraßen mindestens 100 Meter und auf der Autobahn sollte, je nach Einsicht auf die Gefahrenstelle, ein Abstand von mindestens 150 Meter und maximal 400 Meter gewählt werden. Sollte es die Schwere des Unfalls und die Verkehrslage zulassen, ist es zusätzlich sinnvoll, direkt ein schnelles Beweisfoto des Unfalls zu machen.
Sobald die Unfallstelle ausreichend gesichert ist, wird der Notruf und die Polizei alarmiert. Auch hier gilt es, dem ersten Instinkt gegenzusteuern: Erst nach dem Notruf sollte Erste Hilfe geleistet werden. Denn je früher die Einsatzkräfte informiert sind, desto schneller können sie auch am Unfallort eintreffen. Dieser zeitliche Vorsprung kann unter Umständen lebensrettend sein. Wichtig ist hier, dass der Zustand der verletzten Personen möglichst genau geschildert wird und du lang genug am Telefon bleibst, um auf eventuelle Rückfragen antworten zu können.
Hier wird natürlich davon ausgegangen, dass du dich als einzige Person am Unfallort befindest und dich um die nötigen Schritte kümmern kannst. In den meisten Szenarien werden mehrere Personen anwesend sein und Unfallortsicherung, Notruf und Erste Hilfe können zeitgleich erfolgen. Erst wenn alle vorherigen Schritte abgeschlossen sind, kannst du dich um den Austausch der Versicherungsdaten kümmern. Hier solltest du dir unbedingt die Kennzeichen anderer Beteiligter notieren. Sollte sich die andere Partei weigern die Daten herauszugeben oder du schlichtweg vergessen, die Kfz-Versicherungsdaten zu erfragen, so hast du im Nachhinein die Möglichkeit, diese über den Zentralruf der Autoversicherer zu erfragen.
Muss ich bei einem Unfall die Polizei rufen?
Grundsätzlich ist die Frage, ob die Polizei alarmiert werden sollte, immer abhängig von der Art und Schwere des Unfalls. Sollte es Verletzte geben, der Straßenverkehr behindert werden oder größere Sachschäden vorliegen, so muss die Polizei zwingend gerufen werden. Bei kleineren Blech- oder Lackschäden kann man aber guten Gewissens auf diesen Schritt verzichten. Zwar hält sich das Gerücht, dass Versicherungen eine Kostenübernahme ablehnen würden, wenn keine polizeiliche Einschätzung des Vorfalls vorliegt, sollte es sich aber tatsächlich nur um einen kleinen Schaden handeln, so kannst du dir sicher sein, dass die Kfz-Versicherung den Vorfall auch fair bewertet, wenn du am Unfallort auf die Polizei verzichtest.
Dennoch kann es sinnvoll sein, auch bei Bagatellschäden die Polizei anzufordern. Sollte sich der Gegenüber unkooperativ verhalten, sich weigern die nötigen Personendaten herauszugeben oder vermutlich unter Alkohol bzw. Drogeneinfluss stehen, kann die Polizei als schlichtender Faktor eine maßgebliche Rolle spielen. Die polizeiliche Verkehrsunfallaufnahme inklusive aller relevanten Informationen sowie ein offizieller Unfallbericht können zudem entscheidend sein, falls der Unfall einen Rechtsstreit nach sich ziehen sollte.
Wie gehe ich vor, wenn mein Unfallgegner nicht vor Ort ist?
Ein kleiner Kratzer beim Rangieren oder eine Delle auf dem Supermarktparkplatz ist schnell passiert. Man selbst ist im Stress, vom Fahrzeughalter fehlt aber jede Spur. Die oftmals gängige Praxis: Ein Zettel mit der eigenen Telefonnummer wird unter den Scheibenwischer geklemmt. Tatsächlich reicht dieses Vorgehen aber nicht aus, um sich vom Tatbestand der Fahrerflucht zu befreien. Der einfache Grund: Unter Umständen reicht ein einzelner Windstoß und der Zettel verabschiedet sich von seinem Platz. Stattdessen besteht hier die Pflicht, eine angemessene Zeit (30 – 90 Minuten) zu warten und anschließend die Polizei zu verständigen, sollte der Fahrzeughalter nach wie vor nicht aufgetaucht sein. Erst nachdem die Personendaten aufgenommen wurden und die Polizei so den Besitzer des betroffenen Autos ausfindig machen kann, darf man sich als Verursacher vom Unfallort entfernen.
Unfallbericht: Was muss ich beachten?
Ist der erste Schock verdaut, gilt es, einen möglichst detaillierten Unfallbericht zu erstellen. Im besten Fall hat man deshalb immer zwei Exemplare im Auto dabei, ansonsten kann der Bericht bei Unfällen ohne Todesfolge aber auch bis zu 7 Tage nach dem Hergang an die Versicherung geschickt werden.
Der Unfallbericht hat das Ziel, alle relevanten Informationen zum Unfallhergang zu sammeln und den Ablauf so für die Versicherungen möglichst gut nachvollziehbar zu machen. Schuldzuweisungen sind hier also deplatziert – die Versicherungen bewerten das Geschehen neutral. Wichtig ist hierbei, auch Informationen mit einzubeziehen, die im ersten Moment nicht zwingend relevant erscheinen mögen. Oft helfen scheinbar nichtige Kleinigkeiten den Versicherungen dabei, den Unfall besser zu rekonstruieren und dadurch auch die Schuldfrage zu klären. Der Bericht kann zwar selbstständig ausgefüllt werden, sollte im Rahmen des Unfalls aber ohnehin die Polizei vor Ort sein, wird sich in den meisten Fällen einer der Beamten darum kümmern. So ist meistens auch die Kooperationsbereitschaft beider Seiten gegeben.
Um möglichst alle relevanten Details abzufragen, sollte der Unfallbericht die folgenden W-Fragen beantworten:
- Wer war am Unfall beteiligt? Alle relevanten Personendaten der Unfallbeteiligten müssen aufgenommen werden. Hierfür lässt du dir am besten den Personalausweis deines Gegenübers zeigen. Sollten Unfallzeugen zur Verfügung stehen, empfiehlt es sich, deren Kontaktdaten ebenfalls direkt in den Bericht mit aufzunehmen.
- Welche Fahrzeuge waren am Unfall beteiligt? Zu den benötigten Informationen gehören unter anderem die Art der Fahrzeuge, die Kennzeichen und die jeweiligen Versicherungsdaten.
- Wann und wo ist der Unfall geschehen? Hier sollten die äußeren Umstände des Unfalls beschrieben werden. Dazu gehören unter anderem die Witterungsverhältnisse sowie die allgemeine Verkehrslage. Um den Unfallort besser darzustellen, sollte bei Bedarf eine Skizze angefertigt werden.
- Wie ist der Unfall passiert? Um den Unfallhergang möglichst nachvollziehbar zu machen, sollten hier mindestens die Fahrtrichtungen aller Beteiligten sowie die Geschwindigkeiten und die exakte Stelle des Zusammenstoßes dokumentiert werden. Zusätzlich empfiehlt sich eine Zusammenfassung der Schäden, welche im besten Fall mit den entsprechenden Fotos ergänzt wird.
Sollten die Schilderungen des Unfalls für alle Parteien der Wahrheit entsprechen, muss der Bericht bzw. das Protokoll von den Beteiligten unterschrieben werden. Einen entsprechenden Vordruck finden man unter anderem direkt beim ADAC zum kostenlosen Download.
Wie sollte ich mich nach einem Unfall gegenüber der Versicherung verhalten?
Sobald der Unfallbericht fertiggestellt ist, musst dieser zusammen mit der Schadensmeldung innerhalb von einer Woche an die Versicherung weitergeleitet werden. Hierbei ist es wichtig, dass im Bericht weder Schuldzuweisungen noch Schuldeingeständnisse formuliert werden. Das liegt einerseits daran, dass der Vorfall von der Versicherung ohnehin neutral betrachtet wird, andererseits werden Schuldeingeständnisse kurz nach dem Unfall oft noch unter Schock ausgesagt. So mag es zwar im ersten Moment so wirken, als wäre man alleinig für den Unfall verantwortlich, letztendlich kann die Versicherung aber unter Einbezug aller Informationen und Perspektiven zu einem anderen Ergebnis kommen. Deshalb ist es für alle Beteiligten ratsam, zunächst nur die benötigten Daten ohne eigene Einschätzung weiterzuleiten.
Zusätzlich solltest du als Unfallbetroffener dein Auto nicht ohne eine vorherige Absprache reparieren lassen. So nimmst du der Versicherung die Möglichkeit ein eigenes Gutachten erstellen zu lassen, was letztendlich – wie auch andere Fehler im Ablauf oder falsche Angaben – dazu führen kann, dass die Kostenübernahme gänzlich abgelehnt wird.
Kann ich einen Unfall ohne die Versicherung regeln?
Zwar besteht in Deutschland grundsätzlich das Pflichtversicherungsgesetz, dennoch ist es nicht zwingend notwendig, jeden Unfall der Versicherung zu melden. Um den Schadensfreiheitrabatt aufrechtzuerhalten, ist es völlig legitim, kleinere (Blech-)Schäden selbstständig zu regeln. Hierbei ist es aber enorm wichtig, eine formlose aber unterschriebene Erklärung des Unfallgegners einzuholen. Diese sollte nicht nur das Datum und die gezahlte Geldsumme enthalten, sondern vor allem auch bestätigen, dass der Geschädigte von zukünftigen Ansprüchen absieht. Zusätzlich solltest du dir als Unfallverursacher immer eine Quittung über die gezahlte Summe ausstellen lassen.
Aus purer Sorge vor dem Verlust des Schadensfreiheitrabatts oder einer Hochstufung sollte man jedoch nicht auf die Regelung mithilfe der Versicherung verzichten. In vielen Fällen lässt sich das Schadensausmaß für Kfz-Laien nur sehr schwer einschätzen und die Reparaturkosten können um ein Vielfaches höher ausfallen, als man im Moment des Unfalls für möglich hält.
Wie verhalte ich mich als Zeuge eines Unfalls?
Anders als bei direkten Unfallbeteiligten, besteht für Zeugen keine gesetzliche Pflicht, am Unfallort zu bleiben. Sollten also keine Personenschäden vorliegen und somit keine Erste-Hilfe-Leistung nötig sein, darf man sich als Unfallzeuge jederzeit vom Unfallort entfernen, ohne sich strafbar zu machen. Anders sieht es selbstverständlich aus, wenn sich verletzte Personen am Unfallort befinden. Wer sich in diesem Fall einfach entfernt, macht sich unter Umständen der unterlassenen Hilfeleistung strafbar.
Besonders bei kleineren Unfällen stellt sich für Beobachter oftmals die Moralfrage. Zwar bringt die Meldung als Zeuge oftmals einen Mehraufwand mit sich, gleichzeitig können die eigenen Beobachtungen aber auch entscheidend für die Einschätzung des Schadens oder eine potenzielle Gerichtsverhandlung sein. Wer einen Unfall beobachtet, sollte sich deshalb grundsätzlich auch als Zeuge melden und seine Personalien von der Polizei aufnehmen lassen. Wer keine Zeit hat, kann zumindest einem der Beteiligten einen Zettel mit seinem Namen und der Telefonnummer hinterlassen, um erreichbar zu sein. Gemeldete Zeugen können letztendlich auch vor Gericht geladen werden. Hier müssen die Beobachtungen selbstverständlich wahrheitsgemäß wiedergegeben werden – nur wer mit einem der Unfallbeteiligten direkt verwandt, verlobt, verheiratet oder verschwägert ist, kann die Zeugenaussage verweigern.
Verhalten am Unfallort – Checkliste
- Unfallort ordnungsgemäß absichern
- Fahrzeuge von der Fahrbahn bewegen, um Verkehr nicht zu behindern
- Warnblinker einschalten
- Warnweste anlegen
- Warndreieck in richtiger Entfernung aufstellen
- Notruf und Polizei alarmieren
- Zustand der Verletzten exakt schildern
- Eventuelle Rückfragen abwarten
- Erste Hilfe leisten
- Unfallbericht erstellen
- Unfallhergang gemäß Vorgaben beschreiben
- Fotos und Skizzen erstellen
- Personen- und Versicherungsdaten austauschen
- Schadensmeldung und Unfallbericht innerhalb von 7 Tagen an die Kfz-Versicherung weiterleiten