Statistik 2019: Deutschland ist Europas größter Markt für E-Fahrzeuge
Seit Mitte Dezember 2019 steht fest: Deutschland ist Europas größter Markt für Elektroautos. Aus einer Pressemitteilung der KBA geht hervor, dass im Jahr 2019 bis Ende November insgesamt 57.533 reine Elektro-Fahrzeuge verkauft wurden. Damit überholt Deutschland erstmalig den bisherigen Spitzenreiter Norwegen (56.893 E-Fahrzeuge). Seit im Jahr 2010 der Nissan Leaf und damit das erste reine Elektro-Fahrzeug für den Verbrauchermarkt erschienen ist, hat sich Norwegen ununterbrochen auf der Spitzenposition gehalten, was vor allem an staatlichen Anreizen und hohen Fördermitteln lag. Aus der Pressemitteilung geht ebenfalls hervor, dass die Verkäufe von Elektro-Fahrzeugen innerhalb Deutschlands alleine im November 2019 um 9,1 % auf 4,651 angestiegen sind.
Welchen Einfluss hat Tesla auf den deutschen Elektro-Fahrzeug-Markt?
Lange wurde den großen deutschen Autoherstellern vorgeworfen, beim Thema Elektromobilität den passenden Einstiegszeitpunkt verpasst zu haben und nun den eigenen Ansprüchen hinterherzulaufen. Im November wurde schließlich bekannt, dass sich ein internationaler Vorreiter dazu berufen fühlt, frischen Wind in den deutschen Auto-Markt zu bringen. Teslas CEO Elon Musk hat medienwirksam bekannt gegeben, bis 2021 eine vierte “Gigafactory” bauen zu wollen. Dieses Mal in direkter Nähe zu Berlin. Während der Medien-Hype nach der Verkündung groß war, wurden kurz darauf auch berechtigte kritische Stimmen laut. Diese werfen Musk vor, erneut nur seine “Tesla-Story” erzählen zu wollen und die wirtschaftlichen Marktgegebenheiten in den Hintergrund zu rücken. Dabei zeigen die Zahlen der vergangenen Jahre deutlich, dass der europäische Automobilmarkt keinerlei Wachstum verzeichnet und die Nachfrage durch die verhältnismäßig hohe Dichte an Fabriken beinahe übersättigt ist. Die aktuellen Zahlen veranschaulichen zudem, dass Musks Ziel-Markt nur im Schneckentempo wächst.
Glaubt man den Tesla-Jüngern in den Internet-Kommentarspalten, so kommt nun endlich Heilsbringer Musk nach Deutschland, um Audi, Mercedes, BMW und VW zu zeigen, wie man das Thema Elektro-Fahrzeuge anzugehen hat. Und die Verkaufszahlen geben ihnen bisher Recht: Alleine im November 2019 sind die Verkaufszahlen für Teslas Model 3 in Deutschland um 130 % angestiegen. Bleibt da noch Platz für die Konkurrenz-Modelle der deutschen Traditionshersteller, die 2020 und 2021 an den Start gehen sollen? Definitiv, insofern man dem Vorsitzenden des deutschen Automobilverbandes Glauben schenkt. Auf der VDA-Jahres-Pressekonferenz Anfang Dezember in Berlin lies dieser unter anderem verlauten, dass das Angebot an deutschen E-Fahrzeugen bis 2023 von 50 auf über 150 Modelle verdreifacht werden soll und zusätzliche Investitionen in die E-Mobiliät in Höhe von 50 Milliarden Euro geplant sind.
Ob diese hoch angesetzten Versprechungen von Teslas Deutschland-Plänen beeinflusst wurden, bleibt abzuwarten. Fest steht jedoch, dass Deutschlands große Autobauer keineswegs untätig sind. Mit dem ID3 hat VW auf der IAA 2019 das erste vollwertige Elektroauto der eigenen Modell-Historie vorgestellt und viel Applaus geerntet. Dass dieser Umstand keineswegs bedeuten muss, dass wir den ID3 auch tatsächlich zeitnah auf den Straßen sehen, zeigt ein Blick auf die Innovations-Präsentationen von VW im Rahmen vergangenen Automobilausstellungen. Groß angekündigte Pläne wie der Hybrid-Zweitsitzer L1 (2009) oder das Trio aus E-Golf, E-Up und E-Load (2013) verschwanden nach kürzester Zeit wieder in der Versenkung. Zwei Jahre später wurde das Spiel mit abgewandelten Versionen wiederholt und der damalige Vorsitzende Martin Winterkorn lies sich sogar zur Ankündigung von “zwanzig E- oder Plug-in-Hybridmodelle bis 2020” hinreißen. Diese Pläne wurden wohl spätestens durch die Bekanntmachung des Dieselskandals zerschlagen.
Ist Deutschland bereit für die E-Zukunft?
Deutschlands neue Spitzenposition im europäischen E-Fahrzeug-Markt mag bestens als Schlagzeile geeignet sein, verliert jedoch schnell an Glanz, wenn man sich die umliegenden Zahlen genauer ansieht. Betrachtet man die Einwohnerzahlen beider Länder, so gleicht die Zahl der Neuzulassung von E-Kfz mehr einem Trauerspiel als einem Fortschritt. Mit rund 5,4 Millionen gemeldeten Einwohnern stehen dem Automobilmarkt in Norwegen nur rund 6,5 % der deutschen Bevölkerungsmenge zur Verfügung. Zusätzlich verdeutlicht wird das Problem dann, wenn man sich den Marktanteil von Elektrofahrzeugen ansieht. Laut Kraftfahrtbundesamt liegt dieser in Deutschland weiterhin nur bei rund 1,6 Prozent (Norwegen: 36,9 Prozent).
Über einen Mangel an Herausforderungen können sich die deutschen Hersteller also keinesfalls beschweren. Zwar kann man sich aktuell nach China uns den USA mit dem dritten Platz im weltweiten E-Fahrzeug-Ranking schmücken, die tatsächlichen Verkaufs- und Wachstumszahlen verdeutlichen aber, dass sich Deutschland in Sachen E-Mobilität nach wie vor in den Kinderschuhen befindet. Dabei ist die “Elektrooffensive der deutschen Hersteller” laut Bernhard Mattes längst “in vollem Gange”. Die Bundesregierung trägt zumindest ihren Teil zu dieser Entwicklung dabei: Erhöhte Fördergelder sollen dazu führen, dass die rund 300.000 Zulassungen von E- und Hybridautos aus 2019 im kommenden Jahr nochmals deutlich gesteigert werden. Grundvoraussetzung dafür dürfte auch der Infrastruktur-Ausbau in den ländlichen Regionen sein.